Der Bahnhof von Tallinn hat genau 9 Geleise, den richtigen Zug können wir also kaum verfehlen. Im Fahrradabteil hängen wir die Räder auf, und eine äusserst freundliche Zugbegleiterin verkauft uns die Billette. Nach 45 Minuten steigen wir in Vasalemma aus, von wo wir (noch) zuversichtlich die lange Strecke unter die Räder nehmen.
Nach einer halben Stunde Fahrt bläst Julia voller Begeisterung zum Rechtsumkehrt. Sie hat die Ruinen des ehemaligen Zisterzienserklosters Padise (1317) entdeckt! Samuels Begeisterung hält sich in Grenzen, schon wieder alte Mauern! Marco und ich warten bei den Rädern, die Kinder gehen auf Entdeckungsreise und kommen begeistert zurück. Die Ruine ist frei zugänglich, über ausgetretene Steinstufen, dunkle Gänge und neue Treppen kann man die riesige Anlage erkunden, und wenn man Glück und Mut hat, findet man sogar den Weg zuoberst auf den hohen Turm. Belohnt wird man mit einem Weitblick über die topfebene Landschaft.
„folgen sie dieser Strasse geradeaus für … 47 Kilometer“ steht in unseren Reiseunterlagen, was wir befolgen. Für uns Schweizer ist es sehr ungewohnt, dass man stundenlang über eine Landstrasse radelt – auf beiden Seiten Fichten und Birken – und man weit und breit keine Häuser oder Dörfer sieht, alles sieht einfach immer gleich aus. Tapfer strampeln wir weiter und hoffen, dass dann schon irgendwann mal wieder etwas kommen wird. Zwischenzeitlich sinkt bei den einen die Moral ein wenig, das Hinterteil wird unangenehm spürbar, aber die Mädels singen immer wieder in den höchsten Tönen.
Endlich, endlich haben wir es geschafft und treffen in Haapsalu ein. Aufgrund eines Buchungsfehlers bekommen die Kinder ein hübsches, hölzernes Dachappartement für sich alleine, Marco und ich ein romantisches, gelbes Zimmer. Wir werden sicher alle wunderbar schlafen.
Halleluja! Ihr habt ja Mumm und Abenteuergeist! Viel Glück und Ausdauer weiterhin. Das Navi gibt ein Stück weit Zuversicht, dem armen Hinterteil ist das eigentlich wurscht. Also tragt Sorge zu Navi UND Hinterteil und auch zur Moral der ganzen Truppe. Wenn Ihr die Hälfte habt, ist bereits das wichtigste Ziel geschafft.
Seht Ihr eigentlich auch etwas von Fauna und Flora, wenn Ihr da wie die Tour de FrancelerInnen durch die Birkenwälder kurvt?
Ich gehe nun auch schlafen – morgen ruft die Arbeit.
Die Zeit für Fauna und Flora – aber auch für die Sehenswürdigkeiten – lassen wir uns auf unserer Tour natürlich nicht nehmen. Das sind auch immer wieder gute Gründe für einen erholsamen Moment vom harten Velosattel runter zu kommen 😉
Gäll sicher fast unglaublech das ma unterwegs cha si ond es hät cheini Hüser ond ou nit lüt, Autos was ma begegnet.
Ide schwiz nit möglich!
Das war für uns wirklich sehr ungewohnt, diese Einsamkeit links und rechts der Strasse. Auch entwickelte sich mit der Zeit eine neue Interpretationsweise der Karte: Was darauf nach Stadt oder Dorf aussah, waren meist nicht mehr als 2,3 Häuser, evt. eine Kirche und wenn man Glück hatte, ein Laden mit einem Tisch und ein paar Stühlen, sodass man eine Pause machen und etwas trinken konnte.